+++ Lisa Andresen +++ feiert Weihnachten ++ in Kundapur/Indien +++ fern der Heimat NF ++
24. Dezember 2010 von thordis
Hey Lisa! Warum hattest Du den Wunsch “mal über den Tellerrand zu schauen” und bist dabei ganz in Indien gelandet?
Ich war neugierig und wollte eine neue Lebensweise kennen lernen. Mich haben fremde Kulturen schon immer interessiert. Eigentlich hatte ich lange den Wunsch, nach der Schule nach Afrika zu reisen. Allerdings hatte ich die Möglichkeit, in den Herbstferien für drei Wochen lang Indien zu besuchen. In dieser kurzen Zeit habe ich ein Land kennen gelernt, dass so vielfältig und faszinierend ist, dass ich es unbedingt länger erleben und besser verstehen wollte.
An was für einem Projekt arbeitest Du jetzt im Moment? Was ist Deine Aufgabe?
Ich arbeite zur Zeit in einem Wasserschildkröten-Schutz-Projekt. Dieses Projekt wurde vor 6 Jahren gegründet und ist Teil der Organisation „FSL-India“ („Field services and intercultural learning“), welche als nicht staatliche Organisation mit internationalen Freiwilligen zusammenarbeitet. Im „Sea Turtle Project“ arbeiten außer mir noch 3 andere Freiwillige aus Italien, der Schweiz und Finnland. Unsere Aufgaben bestehen zum Einen darin, Aufklärungsarbeit über Wasserschildkröten in der Bevölkerung zu leisten, da der Bestand dieser Tiere in den letzen 20 Jahren rapide abgenommen hat.
Wir erstellen zum Beispiel so genannte „Turtle Information Center“ (TIC) am Strand, machen „Beachwalks“, bei denen wir Flyer an die Fischerleute verteilen oder führen kleine Puppentheater auf in Schulen. So versuchen wir die Einheimischen darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig Wasserschildkröten für die Ökosysteme Meer und Strand sind. Auch sollen sie davon überzeugt werden, keine Schildkrötennester zu plündern und die Eier zu essen, sondern uns zu kontaktieren sobald sie ein Nest finden. Wir versuchen diese dann so schnell wie möglich zu schützen, indem wir sie notfalls an einen sicheren Strand transportieren und umzäunen, sodass sie vor wilden Hunden, etc. geschützt sind. Dieser zweite Teil der Projektarbeit, die „Feldarbeit“, ist besonders interessant, da wir hautnah mit Wasserschildkröten in Berührung kommen. Es ist ein wunderschöner Moment, zu sehen, wie die vielen, kleinen Schildkröten nach etwa 50 Tagen aus dem gut behüteten Nest schlüpfen und sich mutig durch den Sand zum Wasser kämpfen.
Was ist in Kundapur total anders als in Nordfriesland und wie findest Du das?
Ein grundlegender Unterschied zu Nordfriesland sind die vielen Menschen hier. Indien hat ca 1.1 milliarden Einwohner und ist eines der am dichtesten besiedelten Länder weltweit, mit ca. 351 Einwohner pro Quadratkilometer. Das macht sich schnell bemerkbar. Überall sieht man Menschen, auf der Straße und an den Bushaltestellen sind jeden Tag so viele Menschen wie in Nordfriesland nur auf dem Weihnachtsmarkt. Selbst außerhalb der Städte und Dörfer stehen überall vereinzelte Hütten und man sieht Menschen auf den Reisfeldern arbeiten. Generell leben die Menschen hier viel enger zusammen. Meistens wohnen mehrere Geschwister mit ihren Familien und den Großeltern zusammen in einem Haus. So steht das Familienleben meist im Mittelpunkt und sorgt ständig für Abwechslung. Die Busse und Züge sind fast immer überfüllt, die Straßen oft unglaublich schlecht und die Art, wie in Indien gefahren wird, ist mehr als nur halsbrecherisch. Allerdings herrschen in dem ganzen Chaos auch Regeln, nämlich das Recht des Stärkeren und des Lautesten. Nicht umsonst steht auf jedem Bus und Lastwagen geschrieben: „Horn please!“. Jedoch ist die Infrastruktur hier gut ausgebaut. Ich habe fast nie Probleme, irgendwohin zu kommen. Da hier nur die wenigsten Familien ein Auto besitzen, fährt in jedes noch so kleine Dorf ein Bus ,wenn auch nicht immer nach festem Zeitplan. Falls die Straßen zu eng oder zu schlecht für Busse sind, kann man davon ausgehen, dass binnen weniger Minuten ein Rickschafahrer vorbei fährt und einen freundlich ermuntert, in sein „Tuktuk“ zu steigen. In Nordfriesland hingegen muss man mancherorts schon fast Glück haben, um einen Bus zu finden. Dort ist man besser mit dem Fahrrad unterwegs. Was sich auch anbietet bei den vielen radfahrerfreundlichen Strassen. Im Gegensatz dazu habe ich in Indien bisher noch keinen einzigen Radweg gesehen. Hinzu kommt, dass indische Fahrräder nicht über ein eigenes Licht verfügen. Als ich meine Taschenlampe per Klebeband am Lenker befestigte, wurde ich schräg angeschaut. Meine Gastmutter meinte nur, es gäbe doch überall Straßenlaternen… Ein weiterer großer Unterschied ist der viele Müll, der hier überall herum liegt. In ganz Kundapur gibt es nur etwa drei Mülleimer. Mangels einer Müllabfuhr wird der Abfall meist einfach verbrannt, egal ob Plastik, Gummi, etc.. Das sorgt für einen ganz typischen Geruch, der hier oft in der Luft hängt.
Vermisst Du Nordfriesland? Und wenn ja, was?
Ich vermisse vieles in Nordfriesland, z.B. die endlos langen Straßen durch die Kööge, auf denen man lange fahren kann, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Den frischen, salzigen Geruch der Nordsee, ohne Abgase oder Müllverbrennung. Auch scheint hier, außerhalb der Monsumzeit, gnadenlos jeden Tag die Sonne, was auf die Dauer ein bisschen langweilig ist. Manchmal fehlt mir das nordfriesische graukalte Schietwetter! Und ganz besonders zur Weihnachtszeit vermisse ich den Schnee.
Was glaubst Du, wo Du in ein paar Jahren leben wirst und warum?
Wenn ich aus Indien zurück bin, möchte ich zuerst in eine größere Stadt ziehen. Ich könnte mir jedoch gut vorstellen, in ein paar Jahren, vielleicht nach dem Studium oder später, zurück nach Nordfriesland zu ziehen, um dort zu leben. Schließlich ist Nordfriesland einfach der schönste Fleck auf Erden! 🙂
Vielen Dank für das Interview, Lisa. Dir alles Gute für 2011 und jetzt erstmal ein paar schöne Feiertage!
Mehr über Lisa gibt es auch auf Lisa`s Blog – Von Nordfriesland nach Kundapur
Es gibt ja ziemlich viele Nordfriesen die in der Weltgeschichte rumgondeln… INtererssant!
Ja, da kommen auch noch mehr Berichte 🙂